Allein leben mit Demenz – Mit diesen Tipps geht’s
Als Spezialist für Hausnotrufsysteme wird gelegentlich an das Medivato-Team die Frage herangetragen, was Angehörige tun können, damit ihre dementen Verwandten weiterhin Zuhause wohnen bleiben können. Dieser Wunsch ist verständlich, weil demente Menschen in einem gewohnten Lebensumfeld besser zurechtfinden als anderswo.
Die gewünschte Selbstständigkeit hat aber natürliche Grenzen. Wenn die Demenz so weit ausgeprägt ist, dass die Betroffenen alles vergessen haben, sind sie in der Demenzgruppe eines Pflegeheimes besser aufgehoben. Doch bis das der Fall ist, kann eine Menge dazu getan werden, damit die gewohnte Umgebung lange erhalten bleibt.
Möglichkeiten und Grenzen des allein Lebens
Eine Demenzdiagnose stellt die Familie vor neue Herausforderungen. Doch gegen seinen erklärten Wunsch kann der Betroffene nicht in einem Heim untergebracht werden. Sein Protest bedeutet, er möchte möglichst lange zuhause bleiben.
Die Familie sollte in diesem Fall alles dafür tun, um das zu ermöglichen. Zuhause bleibt der Zustand der Betroffenen oft stabiler als nach einer Heimunterbringung. Wichtig ist, mit der Erkrankung von Anfang an offen umzugehen. Das unmittelbare Umfeld sollte von der Erkrankung wissen, um gegebenenfalls helfen zu können. Es sollte außerdem ein stabiles soziales Netzwerk und eine für demente Menschen sichere Wohnsituation vorhanden sein. Diese vier Punkte sind ein guter Beginn. Fehlen sie, wird es mit dem allein leben sehr schwierig.
Der Demenzkranke muss seine Erkrankung und die damit einhergehende Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit annehmen können. Daran mangelt es oft. Viele Betroffene verschweigen den Angehörigen ihre zunehmende Vergesslichkeit und ihre Ängste. Sie fürchten sich davor, ins Altersheim abgeschoben zu werden. Es ist aber möglich, die Bedingungen für einen möglichst langen Verbleib Zuhause zu schaffen. Geht der Betroffene selbst offen mit seiner Demenz um, erleichtert das dem Umfeld, Hilfen zu leisten, wenn er sich nicht zurechtfindet. Das könnte beispielsweise eine unauffällige Einkaufsbegleitung sein. Ein sensibilisiertes Umfeld hilft da, wo es nötig scheint. Es belässt dem dement werdenden Menschen aber auch seine verbliebene Autonomie.
Demenz bedeutet nicht sofort völlige Orientierungslosigkeit
Die Demenz-Erkrankung schreitet langsam, aber unaufhaltsam fort. Vieles können die Betroffenen aber noch gut allein machen. Das gewohnte Lebensumfeld ist dabei eine Hilfestellung. Der Kranke ist im Viertel bekannt. Bäckereiverkäuferinnen oder Sanitätshaus-Mitarbeiter sind informiert. Wenn das soziale Netz tragfähig ist, so zeigen es amerikanische Studien, können dement werdende Menschen gut allein leben. Ein ambulanter Pflegedienst versorgt die Betroffenen mit Medikamenten oder Hilfen beim Baden.
Lieferdienste wie „Essen auf Rädern“ stellen sicher, dass die Betroffenen nicht mehr kochen müssen. Der Herd sollte idealerweise nicht mehr betriebsbereit sein. Eine Haushaltshilfe sorgt für Sauberkeit. Eine sozial engagierte Studentin könnte zweimal in der Woche als Alltagsbetreuerin fungieren. So werden gemeinsame Kaffeestunden genossen. Arztbesuche oder Einkäufe werden begleitet. Ehrenamtliche, die sich mit Demenzkranken auskennen, finden sich in Vereinen oder Kirchengemeinden. Hier können Besuchsdienste erbeten werden.
Zeitliche Orientierung geht früh verloren
Der Kauf einer Demenz-Uhr kann ebenfalls sinnvoll sein. Diese digitale Uhr verrät in Großbuchstaben und -zahlen Wochentag, Datum und Uhrzeit. Sie ist damit eine von vielen Orientierungshilfen, die das allein leben erleichtern. Zudem kann eine Demenzuhr, die als Armbanduhr gekauft wurde, auch Telefonanrufe annehmen.
Alles, was dem Demenzpatienten Stress bereiten könnte, sollte eliminiert werden. Als Orientierungshilfen sind Kalender in Großbuchstaben, strukturierte Tagespläne mit Terminen oder jahreszeitliche Dekoration hilfreich. Ohne einen Hausnotruf sollte kein dement werdender Mensch Zuhause allein bleiben. Ihm sollte immer wieder gesagt werden, wofür der rote Knopf an seinem Handgelenk da ist. Im Zweifelsfall sollten Nachbarn täglich nach dem Demenzkranken schauen.
Das Zuhause – ein Goldener Käfig?
Auch demente Menschen haben Freiheitsrechte. Wer nicht bettlägerig ist, braucht Bewegungsspielraum und positive Erlebnisse, die er gut verarbeiten kann. Begleitete Spaziergänge, gelegentliche Besuche alter Bekannter, Museumsbesuche oder ein kleiner Tierpark können demenzkranken Menschen Freude bereiten.
Etwa 67 aller Demenzbetroffenen leben so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld. Für die Angehörigen bedeutet das viel Verantwortung und viele Ängste. Doch Menschen mit Demenz sollten sich nicht eingesperrt fühlen, wenn sie Zuhause leben. Alle Hilfen, die finanzierbar sind, sollten auch ermöglicht werden. Die Krankenkassen unterstützen notwendige Wohnraumanpassungen mit jährlichen Zuschüssen. Wer jedes Jahr kleine, aber hilfreiche Veränderungen vornimmt – auch baulicher Art – macht es richtig. Alles andere überfordert demente Menschen.
Die Sehkraft lässt altersbedingt ebenso nach wie Gedächtnis und Muskelkraft. Die dadurch gesteigerte Sturzgefahr beruht oft auf schlechter Beleuchtung und vermeidbaren Stolperfallen. Ein schmaler Rollator für den Wohnraum mindert das Risiko von Stürzen. Eine ordentliche Wohnung, in der alles seinen Platz hat, verringert das stundenlange Suchen nach Gegenständen. Kleiderschränke und Truhen sollten so geordnet werden, dass je Schrankfach lediglich eine Kleidungssorte zu finden ist.
Wenn auch die räumliche Orientierung verlorengeht, können überall Piktogramme angebracht werden. Diese zeigen, wo die Schuhe, wo das Geschirr und wo die frischen Handtücher zu finden sind. Alle Türen sollten ebenfalls durch Piktogramme als Toilette, Küche oder Schlafzimmer gekennzeichnet werden.
Alltägliche Katastrophen minimieren
Alle als Gefahrenherde einzustufenden Gegenstände wie Föhn, Wasserkocher, Kaffeemaschine sollten sich automatisch abschalten lassen oder nach und nach aus dem Haushalt entfernt werden. Gleiches gilt für Reinigungsmittel und dergleichen. Diese sollten in einem verschlossenen Schrank gelagert werden, zu dem die Haushaltshilfe den Schlüssel hat. Nagelscheren, scharfe Messer und dergleichen sind zu entfernen und durch sicheren Ersatz zu ersetzen.
Trotz aller Vorkehrungen passieren Malheurs. Es kann zu Verbrühungen durch zu heiß aufgedrehten Wasserhähne kommen. Die Badewanne kann überlaufen, weil sie vergessen wird. Die Betroffene rutscht in der Dusche aus. Solche Unfälle sind kaum zu verhindern, selbst wenn ein Pflegedienst das Duschen und Baden übernimmt. Da Demenzkranke vor dunklen Flächen Ängste entwickeln, sind alle dunklen Teppiche und Fußmatten auszuwechseln. Lichtschalter und Türen sollten eine andere Farbe haben als die Wände, damit sie erkannt werden.
Einen fatalen Fehler begeht, wer gegenüber einer Tür einen großen Garderobenspiegel platziert. Der Demenzkranke erkennt sein eigenes Abbild im Spiegel nicht. Er meint, jemand sei im Bad oder Wohnzimmer und ängstigt sich, weil er ihn nicht kennt. Auch wenn viele „Smart Home“-Installationen für alte Menschen sehr nützlich sind, ist bei Demenzkranken zu überlegen, was wirklich Sinn macht. Als nützlich haben sich Herdwächter, Wassermelder und automatisch an- und ausgehende Lampen erwiesen.
Wenn die Krankheit fortschreitet, wird es aber einen Punkt geben, an dem der Kranke für sich und/oder andere zur Gefahr wird. Dieser Zeitpunkt sollte genutzt werden, um die Situation neu zu bewerten. Die Nachbarn, die Haushaltshilfe und die alten Bekannten, die die Betroffenen besucht haben, können zum Zustand der Patienten befragt werden. Gegebenenfalls können die Betreuenden sich beim Hausarzt oder dem Pflegedienst fachkundigen Rat zu den nächsten Schritten holen.
Wenn das Zuhause bleiben nicht mehr verantwortbar ist
Wenn der Betroffene sein Leben trotz aller Hilfestellungen nicht mehr allein regeln kann, muss er in einem Pflegeheim untergebracht werden – gegebenenfalls mit Hilfe einer Entmündigung. Das ist für alle Seiten ein schwerer und schwerwiegender Schritt. Einen Betreuer sollte man bereits im Vorfeld dieses Ereignisses bestellen oder die Betreuung selbst übernommen haben, um die nun fälligen Entscheidungen treffen und umsetzen zu können. Wann es so weit ist, ist individuell verschieden. Doch der Zeitpunkt, wenn das Zuhause leben zu hohe Risiken beinhaltet, sollte nicht hinausgeschoben werden.